Schnee zum Jahreswechsel 1978/79

Die Weihnachtsfeiertage 1978 mochten im Lauenburgischem an manches erinnern, nur nicht an die kalte Jahreszeit. Das Thermometer zeigte Temperaturen um die + 15 Grad Celsius. Über Südskandinavien lag jedoch eine Luftmasse von rund – 20 Grad. Nach dem Fest nahm sie Kurs auf Schleswig-Holstein – die beiden Fronten prallten über der Ostsee aufeinander, das Unheil begann. Am 27. Dezember setzte starker Regen ein, der bald in Schnee überging. Am 28. Dezember – einem Donnerstag – folgte ein Temperatursturz von bis zu 25 Grad. Der Nordostwind verschärfte sich zu einem Sturm der Windstärke 9 – in Böen –Stärke 11. Aus dem zunächst dichten Schneegestöber, das nach und nach das ganze Bundesland überzog, wurde ein ausgewachsener Schneesturm. Die Wetterlage sollte bis Sylvester weitgehend unverändert bleiben.

Eine Versorgung aus der Luft durch Helikopter war wegen des starken Sturmes und der unzureichenden Sicht ausgeschlossen – eine notärztliche Versorgung nur durch den ortsansässigen Allgemeinmediziner im Rahmen seiner eingeschränkten Möglichkeiten durchführbar. Da die hiesige Bäckerei nicht mehr über ausreichend Hefe verfügte, die ohnehin nur über eine beschränkte Haltbarkeit verfügt, musste diese zum Backen notwendige Zutat auf dem Landwege beschafft werden. Unter Zuhilfenahme des Hilfsrüstwagens der Feuerwehr – ausgestattet mit Allrad, Sperrdifferenzial und Schneeketten – wurde das erforderliche Produkt vom Einzelhandel in Lübeck beschafft, wobei hin und wieder der reguläre Straßenverlauf verlassen und auf angrenzende Flächen ausgewichen werden musste. Im Anschluss konnte der Backbetrieb durchgehend aufrechterhalten werden (1).

Im Herzogtum Lauenburg wurde kein Katastrophenalarm ausgelöst, da die hiesigen Probleme im Gegensatz zu anderen Landesteilen mit den zur Verfügung stehenden Kräften noch bewältigt werden konnten. Um jedoch bei weiterer Zuspitzung der Lage jederzeit informiert und reaktionsbereit zu sein, hatte Landrat Kröpelin einen Krisenstab einberufen (2).

Eine derartige Prüfung die dem Ort auferlegt wurde, konnte nur mit einer entsprechenden intakten Gemeinschaft und der dazugehörigen Bereitschaft zur Selbsthilfe bestanden werden. Die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr sowie die meisten der männlichen und auch viele weibliche Einwohner fanden sich nach Beruhigung des Wetters zum Schneeräumen ein.

Zusätzlich stellten die örtlichen Landwirte – i. d. R. zumeist Angehörige der Wehr – spontan und unaufgefordert ihren Fuhrpark zur Verfügung.

Da der bisherige Leiter der Polizeistation Kastorf bereits pensioniert war und dessen Nachfolger sein für den Jahreswechsel geplanten Umzug von Neustadt/H. nach Kastorf aufgrund der Witterung nicht durchführen konnte, wurde die Kastorfer Feuerwehr auch mit exekutiven Aufgaben betraut. So wurde z. B. das LF8 an der Einmündung Bahnhofstraße/Hauptstraße postiert, um dort das bestehende Fahrverbot zu überwachen. Die Polizei hatte ständig fernmündliche Anfragen zu beantworten, ob das Herzogtum als Transit genutzt werden konnte, um von einem in einen anderen Kreis – bzw. einer kreisfreien Stadt – zu gelangen, in denen kein Fahrverbot galt. Dieses musste jedes Mal verneint werden, da ein Passieren der meisten Straßen für Personenkraftwagen weitgehend ausgeschlossen war (3).

Große Probleme bereitete auch die taggleiche Abfuhr der Milch von den betreffenden landwirtschaftlichen Betrieben. Diesbezüglich war Kastorf – als Schnittstelle zwischen der B 208 und L 92 gelegen – noch verhältnismäßig unberührt. Abgelegenere Orte wie Grinau, Klinkrade oder Göldenitz hatten diesen Vorteil der zentralen Lage nicht. Nach Verfüllung der vorhandenen Einrichtungen musste dort nach zusätzlichen Behältnissen zur Zwischenlagerung Ausschau gehalten werden. Bei diesem Vorgehen spielte die herrschende Kälte den Bauern hinsichtlich der Haltbarkeit der Milch in die Karten. Erst am 4. Januar konnte der örtliche Milchfuhrunternehmer auch die außerhalb des Ortes ansässigen Landwirte wieder weitgehend planmäßig anfahren und danach die Molkerei beliefern (sofern man sich vorher nicht schon gezwungenermaßen selbst auf den Weg gemacht hatte). Um den Hygienevorschriften zu entsprechen, wurde die betroffene Milch jedoch vorsichtshalber nicht mehr als Trinkmilch verarbeitet sondern verbuttert, d. h. zu Butter, Mager- oder Buttermilch verarbeitet (4).

Hatten bereits die verheerenden Waldbrände 1975 in Niedersachsen gezeigt, dass eine generelle Ausstattung der Feuerwehrfahrzeuge mit Vielkanal-Funkgeräten unumgänglich ist, wurde dieses Vorhaben durch den Winter 1978/1979 noch beschleunigt. Tatsächlich wurde die Wehr anschließend umgehend mit diesem erforderlichen Equipment ausgerüstet.

Im Abschlussprotokoll des Ordnungsamtes für Zivilschutz vom 19. Januar 1979 ist vermerkt, dass materielle und personelle Verluste im Kreis nicht eingetreten sind, ebenso wenig akute Notsituationen die umgehend den Einsatz besonderer Rettungsmittel notwendig gemacht hätten (2).

Dieser Bericht entstand mit freundlicher Unterstützung von: (1) Erich Kröger, Bäckermeister (2) Cordula Bornefeld, Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg (3) Dieter Fischer, Polizeiobermeister (4) Herbert Bockwoldt, Milchfuhrunternehmer

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